4. Juli 2014

Online basierte Gerichtsbarkeit – wie man Zeit und Geld spart zeigt Axel Hellinger mit seinem Gründungskonzept Iudica

iudica_hellingerAxel Hellinger, von Beruf Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht ist mit seiner neuen Firma Iudica auf eine Idee gekommen, die das Rechtswesen in Deutschland deutlich vereinfachen könnte. Das Online Schiedsgericht spart allen Parteien Kosten und Zeit und ist einfach durchführbar. Im Grund ist die Idee nicht so ganz neu. In den USA wurde z.B. schon im Jahr 1995 Cybersettle (Computerized Dispute Resolution System and Method) von zwei Rechtsanwälten in den USA in einem ersten Feldversuch erprobt. Jetzt will Axel das deutsche Rechtswesen insbesondere im B2C Bereich revolutionieren.

Ruhrpott Start-ups: Hallo Axel, Du hast als Rechtsanwalt ein recht originelles Gründungskonzept entwickelt. Eine Online-Schiedsgerichtsbarkeit! Was ist das eigentlich genau und wie funktioniert das?

Axel: Ein Online-Schiedsgericht ist ein Gericht, bei dem die Richter nicht Staatsbediensteten sondern Privatpersonen sind. Meist sind dies Juristen, Ingenieure oder sonstige Fachkundige. In dem Fall von Iudica handelt es sich um Juristen mit einem rechtswissenschaftlichen Staatsexamen oder vergleichbaren Abschluss. Dieses Niveau ist nicht unbedingt Standard bei dem bisherigen Online-Streitschlichtungen.
Online bedeutet, dass das Verfahren für die Verfahrensbeteiligten komplett im virtuellen Raum stattfindet. Das Verfahren läuft hauptsächlich über E-Mail oder soweit Unternehmer ein ERP/CRM/Mahn- Programm einsetzen. Ein konventioneller, zivilrechtlicher Prozess läuft zurzeit fast ausschließlich über Schriftsätze. Lediglich die Vernehmung von Zeugen o.ä. und die mündliche Verhandlung erfolgen vor Gericht. Daher besteht hier sehr viel Potential, wenn der Briefverkehr durch ein elektronisches Kommunikationsmittel ersetzt wird.
Das Schiedsgericht richtet sich an Händler und Verbraucher im B2C. Es unterstützt die Parteien schon vor dem möglichen Rechtsstreit, in dem es erstmalig die Möglichkeit gibt, den Inhalt und Zugang einer E-Mail beweisbar zu machen. Somit kann ein Großteil der Differenzen zwischen Käufer und Verkäufer problemlos in das Verfahren eingebunden werden. Des Weiteren stellt das Schiedsgericht einen unterstützenden Klagealgorithmus zur Verfügung. D.h. der juristische Laie wird mittels einer detaillierten Hilfe und einem Formular beim Erstellen seine Klage oder Verteidigung geführt.
Selbstverständlich können vorhandene Daten (z.B. Adressen) über eine Schnittstelle verfügbar gemacht werden, so dass diese nicht doppelt eingegeben werden müssen.
Ein Schiedsrichter schaut sich dann in den Sachverhalt an, stellt wenn nötig Rückfragen und erhebt bei Bedarf Beweis. Der Schiedsrichter steuert grundsätzlich. erst einmal auch auf eine einvernehmliche Lösung (Vergleich) hin. Gelingt ihm dies jedoch nicht, kann er anschließend ein Urteil fällen. Die bisherigen Onlinestreitschlichtungen und Mediatoren können dies nicht. Kommt es nicht zu einem Vergleich, muss der Streit dennoch nochmals vor ein Gericht. Dieses Urteil des Schiedsrichters wird dann von einem staatlichen Gericht für vollstreckbar erklärt, mit der Folge dass ein solches Urteil die gleiche Rechtskraft hat, wie ein staatliches. Man kann sogar anschließend einen Gerichtsvollzieher mit der Vollstreckung beauftragt.

Ruhrpott Start-ups: Wo liegen eigentlich genau die Vorteile ein Online-System einem „echten Schiedsgericht“ vorzuziehen?

Du meinst bestimmt die Vorteile zu einem normalen Gericht. Denn „echt“ ist dieses Schiedsgericht auch. Hier mal ein Beispiel:
Stell Dir vor Du hättest für Dein Unternehmen eine Druckerpatrone gekauft. Der günstigste Anbieter kommt aus dem Bereich München. Du bestellst online, zahlst den Kaufpreis, aber der Anbieter liefert nicht. Zuerst wirst Du ihm bestimmt eine Frist setzen, dann mahnen. Dann wirst Du zu Deinem Rechtsanwalt gehen und Dich von diesem beraten lassen. Dieser wird wahrscheinlich noch einmal anwaltlich mahnen und dann wirst Du, wenn Du nicht mittlerweile darauf auf die Rückerstattung des Kaufpreises bzw. auf die Druckerpatrone verzichten willst, Klage erheben lassen. Das Ganze geht zu Gericht, dann zu dem Beklagten, der antwortet und irgendwann wird das Gericht einen Termin festsetzen, bei dem alle Parteien sich irgendwo in München treffen. Selbst Du gewinnen solltest, ist klar, dass sich das Ganze für Dich nicht gelohnt hat.
Bei Iudica läuft das Verfahren deutlich schlanker: Wenn Du merkst, dass Du mit Deinem Vertragspartner nicht weiter kommst, reichst Du einfach selbst vom „heimischen“ Schreibtisch aus Klage ein. Das Verfahren bei Iudica unterstützt Dich dabei. Ein Rechtsanwalt ist hierfür nicht notwendig. Wie schon erwähnt kannst Du auch auf schon vorhandene gespeicherte Daten zugreifen und die bisherige E-Mail-Korrespondenz als Beweis beifügen. Iudica wird dann Deine Klage auf Plausibilität prüfen und unmittelbar Deinem Geschäftspartner bzw. Schuldner zustellen. Man sieht, allein schon bis zur Zustellung der Klage schrumpft das Gerichtsverfahren von etwa einem Monat auf eine Dauer von ein paar Stunden. Nunmehr kann der Beklagte auf Dein Schreiben antworten. Bei Iudica wird der tatsächliche Sachverhalt ermittelt (sog. Amtsermittlungsgrundsatz). D.h. der Schiedsrichter fragt aktiv und unterstützt die Parteien bei der Findung des realen Sachverhaltes. Ein staatliches Zivilgericht fragt in der Regel. nicht nach, darf es sogar nicht einmal. Ein Nichtjurist ist daher in einem staatlichen Verfahren grundsätzlich im Nachteil.
Dadurch, dass das Verfahren von Iudica komplett über elektronische Kommunikationsmittel abläuft, brauchst Du natürlich auch nicht nach München zu fahren. Das Urteil wird ebenso schnell zugestellt und das Verfahren kann damit abgeschlossen werden.
Du siehst, ein Verfahren, was Dich vorher einen Papierkrieg über mehrere Monate gekostet hättte und bei dem Du eiin Kostenrisiko im Bereich eines dreistelligen Betrages hattest, ist nunmehr auf einen Bruchteil der Zeit und etwa einem Drittel der Kosten zusammengeschrumpft.

Ruhrpott Start-ups:Meinst Du ein solches Verfahren wird ausreichend Akzeptanz finden?

Axel: Ja ich denke schon. In vielen Ländern, insbesondere USA, wird die alternative Streitschlichtung schon seit sehr langer Zeit sehr erfolgreich eingesetzt. Auch in Deutschland gibt es seit je her eine alternative Streitschlichtung, allerdings bisher noch nicht nennenswert im B2C-Bereich.
Die Notwendigkeit alternativer Streitschlichtung hat die EU mittlerweile auch erkannt. Daher wurden entsprechende Verordnungen verabschiedet wie die ADR-Richtlinie und ODR-Richtlinie erlassen. Die EU will auch eine Plattform zur Verfügung stellen, wo Dienstleister wie Iudica ihre Leistung zentral anbieten können.

Ruhrpott Start-ups: Setzt Du die Idee alleine um, oder arbeitest Du mit einem Team? Gibt es noch Bereiche wo Du Unterstützung gebrauchen könntest?

Ich bin glücklicherweise sehr gut vernetzt, so dass es sich nicht so negativ auswirkt, dass ich zurzeit noch alleine an dem Projekt arbeite. Die Programmierung der Plattform werde ich allerdings an ein qualifiziertes Entwicklerteam abgeben. Beim Launch des Projektes würde ich gerne auch auf jemanden mit mehr Erfahrung im Bereich Marketing zurückgreifen können.

Ruhrpott Startups: Was sind die nächsten Schritte um die Idee so richtig ins Rollen zu bringen?

Axel: Der nächste Schritt ist endlich die Programmierung der Plattform. Ich komme aber immer mehr zur Überzeugung, Fremdkapital in Form von Investoren und gegebenenfalls auch in einer Crowdfunding-Kampagne zu sammeln, weil die Entwicklung dann einfach schneller geht.
Mit dem Prototyp möchte ich Feedback bei einem Gründerwettbewerb einsammeln und Anfang 2015 erfolgt dann der offizielle Launch.

Ruhrpott Start-ups: Wir sind ja auf Dich aufmerksam geworden, weil Du mit Deiner Idee an einer Reihe von Gründerwettbewerben im Ruhrgebiet teilgenommen hast. Derzeit bist Du ja in Bonn ansässig. Könntest Du Dir vorstellen auch einen Standort im Ruhrgebiet zu gründen oder gar ganz umzuziehen?

Das Ruhrgebiet ist sehr sehr gründerfreundlich. Der Köln-Bonner Raum ist jetzt nicht gründerfeindlich, aber man bekommt im Pott schon deutlich mehr Unterstützung. Auch ist der Ruhrpott subjektiv besser vernetzt. Es bestehen daher schon konkrete Optionen, im Ruhrgebiet zu gründen. Eine abschließende Entscheidung ist hier allerdings noch nicht gefallen. Die Standortwahl für das Projekt nicht vorrangig ist. Solche Entscheidungen lasse ich daher gerne auf mich zukommen.

 Ruhrpott Start-ups: Vielen Dank für das Gespräch. Du hast eine tolle Idee und wir drücken die Daumen, dass Du damit Erfolg hast. Hoffentlich dann mit Standort im Ruhrpott!

Weiter Infos zu Axel Hellinger unter http://hellinger.eu/

2 Gedanken zu „Online basierte Gerichtsbarkeit – wie man Zeit und Geld spart zeigt Axel Hellinger mit seinem Gründungskonzept Iudica

  1. Pingback: odr-info.de | Iudica: Ein deutsches Online-Schiedsgericht geht 2015 an den Start

  2. Iudica

    Hallo, für die, die die Entwicklung von Iudica mitverfolgen wollen: Iudica hat jetzt eine FB-Seite online Iudica. Wir werden hier alle Updates zeitnah veröffentlichen.

    Antworten

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